jazz rieger

Vier Töne: und sofort erkennt man ihren Urheber. Von der Sekunde über zwei Halbtonschritte auf die Terz, dann ein Sextsprung in die Oktave. Damit beginnt das Hauptthema des Klavier-Ragtimes "The Entertainer". Der Komponist dieses raffiniert-eingängigen Stücks ist der in den 1860er-Jahren in Texas geborene Pianist Scott Joplin. Mit ihm beginnt die musikalische Zeitreise des Trios „Invitation“ für die 8. und 9. Klassen in unserer Aula.

Scotts Eltern gehörten zur ersten Generation von befreiten Sklaven. Kurz nach der Geburt ihres Sohnes verließen sie die Farm, auf der sie bis dahin gearbeitet hatten. Scotts Mutter arbeitete später in einem Haushalt, in dem ein Piano stand. Und der Überlieferung nach setzte sich der kleine Scott eines Tages an das Instrument und brachte sich das Klavierspielen selbst bei.

Später erhielt er Geigen- und Klavierunterricht. Schon als Jugendlicher spielte er in Kneipen. Von den späten 1880er-Jahren an verdiente er sein Geld als „fahrender Musikant“. Nicht selten mit Auftritten, die bevorzugt in Kirchen oder Bordellen stattfanden. So wuchs mit Scott Joplin der erste große afroamerikanische Komponist heran.

„Ragtime und Blues sind die Quellflüsse des Jazz.“ So beginnt Jazz-Experte Helmut Rieger seine schwungvoll melodische Zeitreise, gespickt mit Wissenswertem und Unterhaltsamen rund um eine Musikrichtung, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im tiefen Süden der Vereinigten Staaten von Amerika entstand und von dort aus einen unvergleichlichen Siegeszug durch die ganze Welt antrat. „Als Geburtsort des Jazz gilt New Orleans“, so Rieger.

Der Jazz entstand, als Afroamerikaner dort Musik machten. Die meisten waren ehemalige Sklaven, ein Teil auch Kreolen, also Nachkommen von weißen, vorrangig französischen Großgrundbesitzern mit ihren schwarzen Sklavinnen,“ so der ausgebildete Gymnasiallehrer, die viele Jahre im Ausland unterrichtete. Andere brachten sich wie Joplin das Spielen selbst bei. Die meisten Musiker konnten keine Noten lesen und spielten einfach nach Gehör.

Improvisation ist der eigentliche Kern der Musik. Improvisieren bedeutet, zu einer vorgegebenen Begleitung spontan eine neue passende Melodie zu erfinden. Wie Improvisation konkret ausschauen kann, erlebte das Auditorium beim Auftritt von Herrn Hintermayr mit, der mit seiner Melodica das Spiel des Jazztrios musikalisch zu bereichern wusste, ohne dass zuvor etwas eingeübt worden war. Auch unsere Musiklehrerin Frau Rieger-Böhm wusste überzeugte bei ihrem Auftritt als Vokalistin zu überzeugen.

Die hochkarätigen Musiker um Bandleader Helmut Rieger, der eloquent und mit unterhaltender Leichtigkeit historischen Background zum Jazz und seiner Entwicklung zum Besten gab, geben eine doppelte Schulstunde lang reichhaltige Kostproben ihres Könnens. Rieger hat sich schon in seiner Jugend dem Jazz verschrieben. Das Klavier stand dabei zumeist im Mittelpunkt. Er ist jedoch auch in klassischem Klavierspiel und an der Geige ausgebildet.

Kontrabassist Thomas Heinelt ist hauptberuflich Ingenieur und gebürtiger Freilassinger. Musikalisch kommt er von der Gitarre und dem E-Bass, der Kontrabass kam später dazu. Schlagzeuger Jaroslaw Rafalsky stammt aus der Ukraine, lebt aber mit seiner Familie schon sehr lange in Bad Reichenhall. Als professioneller Schlagzeuglehrer in Musikschulen verdient er seinen Lebensunterhalt und als klassischer Schlagwerker tritt er regelmäßig in Sinfonieorchestern auf. Momentan bereiten die Musiker Studioaufnahmen vor.

Nach vielen Jahren sonorer Irrungen und Wirrungen, war in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts in der Musik nichts mehr so, wie es war. Die melodischen und harmonischen Möglichkeiten weiteten sich massiv aus, die Rhythmik wurde differenzierter, die gesellschaftliche Dimension des Faktors Musik weitete sich beträchtlich aus. „Als Gegenbewegung zum Swing entstand späterhin der Bebop als Protest gegen Kommerz und Rassismus im Musik-Business, in dem die Weißen die Vorherrschaft hatten. Ziel war die Rückkehr zu den „schwarzen“ Wurzeln.

Der Jazz ist zusammen mit der Schallplatte groß geworden. Weil auf damalige Schallplatten nur drei Minuten Musik drauf passten, sind die meisten Musikstücke im Jazz traditionell eher kurz. Später hat dann das neu erfundene Radio die Verbreitung des musikalischen Genres befördert. Die heterogenen musikalischen Strömungen spülten große Musiker an die Oberfläche, wie zum Beispiel den Trompeter Miles Davies, den Pianisten Herbie Hancock oder den legendären Stevie Wonder. Heute hat der Jazz weniger politische und gesellschaftliche Bedeutung, die Unterhaltung steht im Vordergrund. Man sucht bei den ruhigen oder beschwingten Tönen Entspannung beim Jazzfrühschoppen oder besucht das beliebte Festival „Let´s jazz together again!“ vom Jazzclub Unterfahrt in München.

Johannes Vesper