Im Laufe der neunten Jahrgangsstufe steht für Realschüler die Entscheidung für einen Beruf an, Mittelschüler stehen schon ein Jahr früher in den Startlöchern. Der Ausbildungsmarkt hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich entspannt, was jedoch die Berufsfindung und -entscheidung für den Einzelnen nicht leichter macht. Eine Messe, auf der sich Betriebe aus der Region präsentieren, kann dabei eine wertvolle Hilfestellung sein.

Mittlerweile avanciert die Berufsmesse zu einem echten Höhepunkt im Reigen unserer alljährlich stattfindenden Veranstaltungen im Schulhaus. Auch diesmal hatte das Organisationsteam, dem Lehrkräfte aus unterschiedlichen Fachschaften angehören, wieder ganze Arbeit geleistet. Gleich zu Beginn der Veranstaltung setzte in der Turnhalle ein regelrechter Run auf die Stände der Unternehmen ein.
Zahlreiche Jugendliche, häufig in Begleitung ihrer Eltern, nutzten die Gelegenheit, um sich über die verschiedenen Berufsfelder und die Möglichkeiten schulischer Weiterbildung aus erster Hand zu informieren und mit Firmenvertretern Kontakt aufzunehmen. „Wir freuen uns, dass so viele Unternehmen unserer Einladung gefolgt sind“, zog Jan Herold, Leiter der Fachschaft Wirtschaftswissenschaften und Organisator der Berufsmesse ein positives Fazit der Veranstaltung.
„Zunächst sollte man sich klar darüber werden, wo die eigenen Stärken liegen“, so Klaus Gottschalk von der Agentur für Arbeit Traunstein. Gespräche mit Freunden, Eltern, Lehrern und dem örtlichen Berufsberater könnten hilfreich sein. „Zentrale Bedeutung hat das Betriebspraktikum“, so Wirtschaftslehrer Jan Herold. In seinem Alltag erlebe er immer öfter, dass Schüler in ein Praktikum hinein gehen und mit einem Ausbildungsvertrag hinaus kämen. Ein Praktikum sei auch für die Firmen eine gute Gelegenheit, ihre künftigen Arbeitskräfte genauer unter die Lupe zu nehmen und sie auf Herz und Nieren zu prüfen.
Den Ratschlag, ein Praktikum abzuleisten, hat Korbinian (16) im letzten Jahr beherzigt, als er gleich zweimal hintereinander den Fuß ins Reichenhaller Autohaus der Nobelmarke Mercedes setzte und erstmals Werkstattluft schnupperte. Bis dahin hatte er eine Ausbildung als Bankkaufmann für sich favorisiert, jetzt wurde sein Interesse für das Innenleben von Kraftfahrzeugen geweckt. Bei der Arbeit zeigte er sich geschickt und einsatzfreudig. Nach seinem mittleren Bildungsabschluss im kommenden Sommer wird er am 1. September 2017 eine Ausbildung als KFZ-Mechatroniker beginnen. „Wichtig ist, dass man sich rechtzeitig orientiert und bewirbt“, gibt der Junge seinen Mitschülern als guten Rat mit auf den Weg.
Christian Weinert (17) gehörte am Donnerstagabend ebenso wie viele andere junge Leute, die ihre Firma präsentierten, zu unseren früheren Schülern. Jetzt im 2. Ausbildungsjahr, hat er ebenfalls vor seiner Ausbildung ein Praktikum bei seinem Arbeitgeber, der Firma Frimo, absolviert. Dass er nach der Gesellprüfung auch noch seinen Meister macht, das kann er sich gut vorstellen. Schon immer habe er sich für technische Probleme interessiert, als Kind mit „Lego“-Kästen experimentiert.
Der Beruf des Mechatronikers ist nach wie vor eine reine Männerdomäne. Gerade einmal zwei Prozent beträgt der Anteil der weiblichen Azubis. Der KFZ-Mechatroniker gehört neben den kaufmännischen Berufsgruppen zu den bei den männlichen Jugendlichen beliebtesten Ausbildungsberufen. Weibliche Azubis bevorzugen kaufmännische, medizinische und kundenorientierte Berufsfelder. Der Lieblingsberuf der Mädchen ist die Kauffrau für Büromanagement. Doch Fragen rund um die betriebliche Organisation wecken immer öfter das Interesse der Jungen.
So absolviert Lukas (16) eine kaufmännische Ausbildung für Büromanagement bei der Sparkasse Berchtesgadener Land. Auf dem „Marktplatz Zukunft“ vor drei Jahren entdeckte er dieses Berufsfeld für sich. Er bewarb sich direkt, bevor er schließlich im letzten Jahr an unserer Schule den Realschulabschluss ablegte. Den Abschluss als Bankkaufmann will der junge Mann aus Anger im Anschluss noch nachholen.
Über 22.000 junge Frauen und Männer starteten Anfang September im Freistaat in eine handwerkliche Berufsausbildung. Etwa ein Drittel davon verfügt über einen Realschul- oder gleichwertigen Abschluss. Die Realschüler werden für das Handwerk immer wichtiger. 2005 lag ihr Anteil noch bei 18,9 Prozent. „Der starke Anstieg in den letzten Jahren zeigt, dass die Realschule die jungen Menschen sehr gut auf eine Berufsausbildung vorbereitet“, so Herr Herold.
Nicht umsonst sind zahlreiche Betriebe des klassischen Handwerks auf der Messe dabei. „Wir bemühen uns um unseren Nachwuchs“, so der Teisendorfer Bauunternehmer Bernhard Fuchs. Nicht jeder sei für die Tätigkeiten auf einer Baustelle geeignet. Doch Perspektiven biete das Handwerk allemal. So ermögliche der Meisterbrief den Zugang zum Studium des Bauingenieurwesens.
Oft sind es auch klassische Berufe, die in modernem Gewand daher kommen. Zu ihnen gehört der des Produktdesigners. Felix (16) bewarb sich im letzten Jahr um einen Ausbildungsplatz, dessen Stellenprofil ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, handwerkliches Geschick, Talent zum Zeichnen, gute Ideen und die Fähigkeit der überzeugenden Präsentation fordert. Einen Beruf, der modern klingt, den es aber schon seit 1937 gibt und früher den Technischen Zeichner umschrieb, der heute mit CAD-Programmen umgehen muss. 900 Euro wird Felix im 1. Ausbildungsjahr verdienen, das für ihn im Anschluss an den mittleren Bildungsabschluss im kommenden Herbst beginnt.
Oft werden Jugendlichen die Begabungen und Interessen für ein Berufsfeld auch mit in die Wiege gelegt und der berufliche Werdegang scheint unaufhaltsam . Zu ihnen gehört Sebastian Gabriel (20), der eine Ausbildung im Hotel Kempinski auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden absolviert und von dem traumhaften landschaftlichen Ambiente rund um seine Ausbildungsplatz schwärmt. Sebastian stammt aus einer Gastronomenfamilie und ist für seine Ausbildung 500 Kilometer weit quer durch Deutschland angereist.
Und oft kommt der „Appetit beim Essen“, wie ein altes Sprichwort so schön sagt. Andreas (15) entdeckte seine Begeisterungsfähigkeit für Erste-Hilfe-Maßnahmen im Einsatz als Schulsanitäter. Und für den Neuntklässler steht fest, dass sein Berufswunsch in genau die gleiche Richtung gehen wird.
„Die Ausbildungssituation war lange nicht mehr so gut wie im Moment,“ so Berufsberater Gottschalk. Solch eine Berufsmesse sei eine gute Gelegenheit, Firmen unmittelbar zu kontaktieren, Informationen einzuholen, sich über ein Berufsbild zu informieren, sein Berufsziel festzusetzen oder Praktika anzubahnen. Das würde von vielen Jugendlichen noch zu wenig genutzt, so der Berufsexperte.
Denn die Unternehmen finden immer weniger geeignete oder überhaupt keine Interessenten für ihre Ausbildungsplätze mehr. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der IHK hervor. Im vergangenen Jahr konnte ein Fünftel der bayerischen Firmen im Bereich von Industrie, Handel und Dienstleistung 10.000 Stellen nicht besetzen, ergab die Umfrage der IHK Bayern. Betroffen seien vor allem die kleinen Betriebe. Fast 70 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, keine geeigneten Bewerber gefunden zu haben. Der überwiegende Anteil der Firmen beklagt die mangelnde Ausbildungsreife der Bewerber.
J. Vesper